Lasst uns heute mal über die Jugend reden. All die Teenager da draußen in der unglaublich grausamen Welt, die aktuell auf so vieles verzichten müssen, was das Jungsein schön und aufregend macht.
Nachtleben und Diskothekenbesuche? Nix da.
Drogenkonsum? Denkste… Wie auch? Der Dealer befindet sich ja schließlich im Lockdown.
Erste sexuelle Erfahrungen? Nur auf Netflix. Cruel, cruel world…
Shoppingtouren durch die Geschäfte der Innenstadt? Welche Shoppingtouren? Welche Geschäfte? Welche Innenstadt?…..
Schluchz und Kreisch und Heul obendrein… Um auch sprachlich das heutige Thema konsequent zu verfolgen. Comicsprache, Jugend halt.
Und außerdem was heißt schon da draußen in der Welt. Eigentlich reden wir von drinnen. Vom auch in der Vergangenheit schon mythischen Jugend-Zimmer. Der Rückzugsort schlechthin für das mehr oder weniger entwicklungsbereite menschliche Wesen in seinen frühen Lebensjahren.
Und die coole Bude bekommt in Corona-Zeiten eine nochmals größere Bedeutung. Weil sie heute -wenn überhaupt -nur noch zur Nahrungsaufnahme verlassen wird. In der unaufgeräumten, hormonell aufgeheizten und schlecht durchlüfteten Teenagerhöhle spiegeln sich die schuppigen, ausgetrockneten und ungeküssten Backfisch-Gesichter im traurigen Schein des ständig leuchtenden Laptop-Bildschirms. Die Körper bewegungslos im Bett dahingestreckt. Da wo früher noch die unbändige Lust am laufbändigen Sport regierte, herrscht nun die muskelschrumpfende Bewegungslosigkeit.
Ich weiß wovon ich rede. In unserem Haushalt tummelt sich auch ein heranwachsendes weibliches Wesen, das den Irrungen und Wirrungen der deprimierenden Gegenwart ausgesetzt ist. Unser Kind meistert die Situation großartig und mit unglaublich guter Laune (befindet sich der Dealer etwa doch auf freiem Fuß?). Trotzdem muss der Corona-Alltag indoor erst mal bewältigt werden. Das ist schon eine Herausforderung. Muss ich hier und jetzt mal unterstreichen.
Einblick gefällig? Bitteschön:
Der Tag beginnt spät aber doch. Der Online-Unterricht startet mit einem Maus-Klick. Der Schulweg kann in – handgestoppt-3,5 Sekunden bewältigt werden. Vom noch körperwarmen Bett direkt zum Computer.
Für die Realität steht man halt nicht gerne auf.
Körperhygiene gibt’s später. Die Kuscheldecke um den noch pijamten Körper geschlungen – eine hommage an die Bewohner des peruanischen Hochlands nur ohne Lamas-werfen die noch vom Schlaf verschwollenen Augen einen ersten Blick auf den Bildschirm. Von 0 auf 100 in kürzester Zeit. Das zeichnet die Jugend von heute aus. In Zeiten wie diesen braucht es Flexibilität. Zähneputzen dann während dem langweiligeren Teil des Unterrichts. Ein kleines Frühstück nebenbei. Warum nicht? Kann man ja wunderbar hinter dem technischen Gerät platzieren. Ungesehen…Mit entzündeten Augen geht es nach fünf Stunden Computer-Monotonie dann zum Mittagstisch. Wankend… Die Muskeln funktionieren noch nicht so richtig. Wie auch? Warm werden könnten Sie höchstens durch die Sauna-gleiche Zimmertemperatur.
Ob diese die Durchblutung fördert? Große Eltern-Zweifel…
Nach einem kurzen Power-NAP in der üblichen Kemenate und dem nachmittäglichem Studium wartet der mega-geile Spaziergang. Spaziergang? Mit sechzehn? Oh, mein Gott…Da fällt mir Ser Davos Seaworth in der phantastischen Serie ,,Game of thrones“ ein: ,,Nothing fucks you harder than time…“
Recht hatte er der Mann! Und der wusste noch gar nichts von Corona.
Der Abend gehört dann wieder dem Fernseher. Trotz leichter Sehstörungen nach insgesamt zehn Stunden vor der Glotze/dem Computer. Aber wozu gibt es Optiker? Und wozu Seh-Brillen?
Und um noch ein Zitat zu bemühen: ,,Wenn Du lange genug in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich..“(Nietzsche). Hoffentlich gilt das nicht auch für das Streaming-Programm.
Der jugendliche Tag endet meistens gegen Mitternacht. Sofern nicht noch etwas mit Freunden gezockt wird. Natürlich am Computer…
Am nächsten Tag geht die ganze Soße wieder von vorne los. Habt Mut, ihr Teenies da draußen und drinnen! Seid tapfer in der Bewältigung des immer Gleichen.
Spontan sein könnt Ihr dann wieder nach der Pandemie.
1 Kommentar
von Reinhard Haas
Liebe Familie Gartner,
haltet durch, es kommen bessere Zeiten – auch für die Jugend und die Puber-Tiere. Wenn die jetzige Zeit des eingeschränkten Bewegungsradius für die Teen‘s die Erkenntnis schärft, dass das „real life“ doch auch seine coolen Seiten hat, dann kann das ja ein nachhaltig positiver Aspekt des Lockdowns sein. So hat jede Generation seinen Herausforderungen zu meistern.
… und was oftmals hilft … einfach mal eine WLAN Störung verursachen, dann geht‘s „back to real life“.
Der Artikel brilliert wieder von tagelanger Recherche, scharfsinniger Analyse und treffender Kommentierung. Da können sich viele „sog. Journalisten“ eine dicke Scheibe abschneiden.
Freuen uns auf ein Wiedersehen im Hotel, herzliche Grüße aus Deutschland, R. Haas