Neulich war ich auf einem Geburtstagsfest. Ein Kumpel feierte seinen 55-igsten Geburtstag. In einer richtig guten Location, voll mit moderner Kunst mitten im landschaftlichen Nirgendwo, Blick auf die beeindruckende Bergwelt inclusive. Echt geile Hütte. Muss ich schon sagen. Der Freund hat augenscheinlich Karriere gemacht und offensichtlich auch gute Kontakte in die Welt der modernen Architektur und des zeitgemäßen Life-Stylings.
Und der Mann hat Stil: Er teilt sein Luxus-Leben gerne mit guten alten Freunden und Bekannten.
Chapeau…
Große cool eingerichtete Räume. Echt gutes Buffet. Luxus-Catering mit toll trainiertem und sehr freundlichem, vor allem aber wohltuend knackig jungem Service-Personal. Der Champagner wurde in Weiß-Wein-Gläsern und nicht in ollen Sekt-Flöten gereicht und die Lachs-Brötchen waren auch nicht von schlechten Eltern. Es gab Guacamole und Humus (man will ja einigermaßen schlank bleiben…) vegane Appetizers und Hühner-Sticks in süß-saurer Sauce und alle waren ziemlich schön. Na ja, sofern es die Falten an Hals, Dekolleté und im Gesicht noch zuließen. Einige hatten mit der Gesetzmäßigkeit der fortgeschrittenen Physik zu kämpfen und kaschierten ihre tieferliegende Vorderansicht mit schwarzer existentialistischer Kleidung oder griffen auf die Wirkungskraft von Push-Up-BH,s zurück, aber was solls…alles trotzdem ziemlich easy going.
Der Lauf der Zeit halt…
Richtig Kacke war nur die Musik.
Der alte Sack von DJ, ein musikalischer Schleimer vor dem Herrn glaubte sich beim Ü-50-Publikum anbiedern zu müssen, indem er den gesamten Abend über Hits aus den 80ern und frühen 90ern spielte. ,,Take on me“ von Aha, ,,Tainted love“ von Soft Cell, ,,Billie Jean“ von Michael Jackson, Culture Club, Paul Young, KC & the Sunshine band, Kool & the Gang, Queen, Abba, Visage, Level 42 und, und, und…
Es war schwer zum Aushalten.
Nachdem ich mich gerade mit der Situation arrangiert und gute Miene zum schlechten Stil, äh Geschmack, gemacht hatte und auf der Tanzfläche meinen Astral-Körper den gierigen Blicken von Frauen mit altersbedingt notwendig gewordenen grauen Star-Operationen ausgesetzt hatte, traf mich eine Aussage einer Tanz-Nachbarin wie ein Keulen-Schlag. ,,Das ist doch die Musik unserer Zeit, echt cool, oder…?“, brüllte mir die schweißnasse Hupfdohle ins Ohr.
NEIN!!!! Um Gottes Willen. NEIN!!!!
Taumelnd bewegte ich mich in die äußerste Ecke der Haus-Disko, schwer getroffen von der schicksalsschweren Aussage der tanzenden Voltaren-Oma und begann am ganzen Körper zitternd vor mich hin und für mich selbst zu philosophieren.
Von welcher Zeit spricht die Tante?, fragte ich mich.
Und: Warum soll das meine Zeit gewesen sein?
Ist die heutige Zeit nicht mehr die meine?
Habe ich die Zeit verloren oder Sie mich?
Bleibe ich aufgrund des fortschreitenden Alters jetzt immer und ewig in einer Zeitschleife gefangen, in der ,,You`re My Heart, You`re My Soul“ der fucking Modern Talking als Soundtrack meines Lebens läuft.
Habe ich aufgehört zu existieren?
Bin ich schon tot?
Habe ich in meinem Alter das Recht verwirkt zeitgemäß im 21. Jahrhundert zu leben?
Bin ich nur noch Sklave meiner Erinnerungen?
Lecko mio…
Ich versuchte mich schnell wieder zu sammeln, zumal ich bereits einiger irritierter Blicke anderer Party-Gäste gewahr wurde, die sich mein eigenartiges Verhalten wohl mit übermäßigem Zuspruch von Alkohol erklärten. Selbstverständlich ließ ich sie auch in diesem Glauben.
Nicht alle sind für die neue Zeit geschaffen.
Doof lächelnd bewegte ich mich zu den Klängen von Trios Super-Hit ,,Da, Da ,Da“ Richtung Ausgang, meine erstaunte Gattin im Schlepptau.
Ok, ok, ,,Die Zeit ist ein Dieb, sie nimmt sich was sie kriegt“…, heißt es in einem Songtext der Deutschrock-Band Böhse Onkelz (die übrigens auch in den 80er und 90er-Dekaden ihren fragwürdigen Karriere-Höhepunkt erlebte).
So weit, so richtig, so banal…
Wir werden älter. Ist ja gut…Passt.
Vergangenheits-Recycling ist und bleibt aber trotzdem nicht so mein Ding.
Es wird Zeit für eine neue aktuelle Party…. Und die gibt es dann BEI MIR zuhause…