Was für eine phantastische Nachricht , die heute (17. November 2020) über die sozialen Kanäle verbreitet wurde. Die nächtliche Ausgangssperren in Südtirol, welche in den vergangenen beiden Wochen zwischen 20 Uhr und 5 Uhr galt, ist endlich Vergangenheit. ,,Es ist für die Bürger im ganzen Land ab sofort wieder erlaubt abends nach 20 Uhr in der Nähe ihrer Wohnung einen Spaziergang zu machen, zu joggen oder Fahrrad zu fahren“, heißt es in der Erklärung.
Juhu, ich bin außer mir vor Freude.
Nächtliche Fahrradtouren und Langstreckenläufe im November…Was für tolle Möglichkeiten, die sich einem plötzlich wieder eröffnen. Und erst die ausgedehnten Spaziergänge inmitten der Apfelplantagen in Gesellschaft von verängstigten Waldmäusen und irritierten Füchsen. Blindes Lustwandeln unter Weinreben. Flanieren und dabei allein sein mit seinen durch die kalte Bergluft angeregten Gedanken. Streifen durch das vom Abend-Tau genässte Unterholz. Ich kann es kaum erwarten.
Ich glaube ich starte noch heute Nacht.
Überhaupt Spaziergänge…Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr bin ich nahezu besessen von der Begierde mich täglich -manchmal gemütlich , manchmal ambitioniert -fortzubewegen, den Blick ständig auf die wunderbare Natur um mich herum gerichtet und stets einen fröhlichen Gruß auf den Lippen, wenn ich auf ähnlich begeisterte (verzweifelte) Spaziergänger treffe.
Ein Spaziergang am Morgen, verbunden mit einer kleinen Einkaufstour, zumal diese ausgedehnten sportlichen Aktivitäten ja auch hungrig machen, und da kann man durchaus mal zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, ein Spaziergang nach dem Mittagessen ( zur Anregung des durch den Lockdown stark beanspruchten Verdauungstrakts) und vielleicht noch einer unter dem roten Licht des herannahenden Abends. Und jetzt eventuell auch noch einer mitten in der Nacht, musikalisch begleitet vom Heulen der heimischen Wölfe.
Wenn irgendwann unsere aktuelle Zeit Aufnahme in die Geschichtsbücher findet wird von ihr als eine Periode des exzessiven Spaziergangs die Rede sein. Interessant werden dann die dazugehörigen Daten sein. Wie viele Menschen sind effektiv an Corona gestorben und wie viele an Langeweile, ausgelöst durch die biederen Bewegungseinheiten. Nicht umsonst schrieb Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe einst die berühmten Spaziergänger-Zeilen : ,,Ich ging im Walde so für mich hin und nichts zu suchen das war mein Sinn“. Ein Jahr später veröffentlichte Goethe sein Mammutwerk ,,Die Leiden des jungen Werther“ in dem er bekanntermaßen den Suizid eines unglücklich verliebten jungen Mannes literarisch verarbeitete. Möglicherweise sind dem Dichter die Ideen zu dem düsteren Werk beim Spazieren gekommen. Würde mich nicht wundern…
Auch ich denke während meiner Lockdown-Spaziergänge manchmal einfach so vor mich hin und blicke voller (selbstbetrügerischer) Vorfreude auf das irgendwann unweigerlich herannahende Rentenalter und die noch ausgedehnteren Spaziergänge, die ich dann unternehmen werde. Manchmal weine ich dann still in mich hinein. Aber nur bis ich auf die nächsten, immer gleichen Wandergesellen treffe, die es -wie bereits eingangs erwähnt- freudig erregt zu begrüßen gilt. Ich will mir ja keinen schlechten Ruf unter den Lockdown-Tramps einhandeln. In diesen Zeiten gilt es die Moral hochzuhalten.
Auch aus diesem Grund all meinen Lesern von dieser Stelle aus ein geistreiches ,,Gott zum Gruß“. Sicherheitshalber. Denn vielleicht sieht man sich ja demnächst mal auf einem Spazierweg. Sollte es soweit kommen ein kleiner Hinweis vorab: Ich bin der mit dem verzweifelten Gesichtsausdruck…