Ich starte den heutigen Blog mal mit einer schnellen, ganz konkreten Frage. Gleich in die Vollen gehen im neuen Jahr 2025. Nicht lange um den heißen Brei herumreden.
Alles klar? Ok.
Die einfache Frage lautet: Mögen Sie eigentlich ABBA?
Sie wissen schon: Die vier Schweden, die so aussehen, als kämen sie direkt aus einem 70er-Jahre-Porno. Und die obendrein noch Lieder singen, die ganz tief in die schmalzigen Ohr- Gänge dringen und von dort nie, wirklich nie mehr rausgehen. Da können Sie noch so oft zum Onkel HNO-Doktor laufen. Songs wie ,,Fernando“, ,,Waterloo“ und ,,Super Trouper“ bleiben für ewig da, wo sie nicht hingehören, außer man legt Wert darauf ein ,,Fucking Schlager-Fuzzi“ zu sein.
Sagen Sie ehrlich: Können Sie mit der Musik echt was anfangen? Stehen Sie vielleicht sogar auf den 70er-Schlaghosen-Glitzer-Look?
Ja? Echt jetzt?
Dann kann mein Resümee nur folgendermaßen lauten: Sie haben einfach einen Sch…-Geschmack!
Muss ich jetzt einfach mal so sagen. Auch auf die Gefahr hin, dass ich einigen eingefleischten Fans auf die alten Lackstiefel trete.
Aber STOP jetzt. Genug des respektlosen Gemeckers. Alles, was ich bisher geschrieben und beleidigend beanstandet habe an den vielen ABBA-Jünger da draußen in der großen, weiten Glitter-Welt des Postmodernismus galt nur bis vorgestern.
Bis dahin waren mir die nordischen Eurovision-Heinis komplett schnuppe. Vorbehaltlos und ohne Wenn und Aber.
Ich schwöre…
Und dann, ja dann ist es geschehen. Ich war in London und habe mir die Mega-ABBA-Show ,,Voyage“ gegeben, im Rahmen derer modernste Technik die Stars von damals als Avatare wieder auferstehen lässt. Einfach so, ,,just for fun“ und ,,for Pop-Interesse“ habe ich mich auf die musikalische Zeitreise eingelassen.
,,The winner takes it all“. ,,Take a chance on me”. ,,Gimme! Gimme! Gimme!
You know?
Und ich habe den Besuch der unglaublichen Show nicht bereut. Es war schlicht und ergreifend ein großes Unterhaltungs-Feuerwerk, das die Produzenten dieses Events abbrannten.
Ein Pop-Erlebnis der Extraklasse.
Deshalb muss ich jetzt auch etwas Abbitte leisten.
Ok, die Musik finde ich immer noch nicht prickelnd, kein „Thank you for the music“, aber was da in der ABBA- Arena zu London auf die Tanz-Beine gestellt wurde, ist schon vom Allerfeinsten.
Und nicht zuletzt der Unterhaltungswert rund um die Show. Oh, la la…kann man da nur sagen.
Schon beim Eintritt in die Konzerthalle durfte gestaunt und zwischendurch auch herzhaft gelacht werden. Die durchgeknallten Engländer und ein paar Weihnachts-Touris aller Alters-Kategorien hatten sich zu gegebenem Anlass in furchtbare, hautenge Klamotten aus den 70ern gepresst. Die Einheimischen natürlich bauchfrei, die Damen ohne Strümpfe und kurzärmelig, wie das in Großbritannien so üblich ist und der Rest vom Kontinent in gefütterte Mäntel gehüllt und mit Mützen und Handschuhe ausgestattet. Ich persönlich setzte ganz soft auf weiche und wärmende Mohair-Wolle.
Fantastisch auch das unglaubliche Merchandising. Potthässliche Pullover, Wärmflaschen und T-Shirts für die kreischenden und hysterisch ihre Geldbeutel zückenden Fans. Alle Produkte natürlich mit ABBA-Emblem versehen. Versteht sich…
In der Halle herrscht von der ersten Minute an Ausnahmezustand. Sobald die vier Avatare, von denen man in keiner Phase der Show vermuten würde, dass es sich nicht um die echten, lebendigen Björn, Agnetha, Benny und Anni-Frid handeln könnte- so cool ist das Ganze inszeniert-auf der Bühne erscheinen, zucken die (Unter)-Leiber der Besucher wie verrückt und fabrizieren einen tiefer gelegten La-Ola-Wellengang nach dem anderen.
Ich ertappe mich selbst dabei, dass ich mit den Kunstfiguren kommunizieren will, mitsinge und wie ein Irrer klatsche. Das ekstatische ABBA-Fieber hat mich erfasst. Hoffentlich hat mich keiner im Publikum erkannt. Ich habe schließlich einen mehr oder weniger guten Ruf-zumindest was den Musik-Geschmack anbelangt- zu verteidigen. Extra dafür angestelltes Show-Personal hüpft gummiballgleich durch die Reihen und animiert die Fans. Und ich hüpfe und springe mit. Der Schwerkraft und der Peinlichkeit trotzend.
Am Ende gehen die meisten Konzert-Besucher gefühlt um mindestens 40 Jahre jünger aus der Arena raus als sie reingegangen sind.
Gleiches gilt auch für mich.
Ob ich will oder nicht!