Neulich war ich bei einem Clubbing. In einem Lokal, das man vor 40 Jahren wohl als improvisierte Dorf-Disco bezeichnet hätte. Wenn ich genauer nachdenke kann man das übrigens auch heute noch tun. Also den Laden sprachlich und inhaltlich herabwürdigen. Wenn Sie den Schuppen gesehen hätten wüssten Sie was ich meine.
Aber ausnahmsweise sei auf die Ästhetik mal gesch….
Immerhin war da was los.
In dem Club feierten drei DJ’S, 500 achtzehn-jährige und meine Wenigkeit gemeinsam das Leben.
Bevor Sie sich jetzt Sorge um mich machen und die Psychologen unter Ihnen mir eine fortgeschrittene, schwerwiegende und krankhafte Juvenilität diagnostizieren, erkläre ich schnell mal warum ich mich zu nachtschlafender Zeit in der Jugend-Bruchbude, äh sorry, dem leicht provinziell angehauchten Tanz-Tempel aufhielt.
Grund war ein Konzert des Deutsch-Rappers Sido, der – so vermute ich einfach mal – auf Winter-Urlaub in der Gegend weilte und beschlossen hatte sich seine Ski-Wochen-Karte mit einem Kurzauftritt in dem Lokal zu finanzieren. Schließlich ist der Mann in der DDR aufgewachsen. Da hat man noch richtig sparen gelernt.
Nachdem jedes halbwegs annehmbare Konzert im Umkreis von ein paar hundert Kilometern für mich immer Grund genug darstellt mir meine von seniler Bettflucht geprägten Nächte um die Ohren zu schlagen, schwang ich meinen Knack-Arsch in mein Auto und begab mich auf zeitgemäße musikalische Spurensuche.
Bin eben ein alter Musik-Freak und als solcher muss ich einfach rocken wenn ich Gelegenheit dazu bekomme.
Außerdem bin ich als anthropologisch angehauchter Hobby-Soziologe auch immer daran interessiert Menschen (im konkreten Fall Kinder, die ja auch irgendwie Menschen sind…) bei ihrer Freizeit-Gestaltung zu beobachten.
Aufgrund meines eigenen fortgeschrittenen Alters war es dementsprechend interessant Vergleiche zwischen der eigenen Altersklasse und dem der heutigen Generation herzustellen.
Wo ich schon mal da war.
Ich verzog mich also in eine schmuddelige Ecke des Lokals und beobachtete.
Hier einige interessante Erkenntnisse:
- Die Tik-Tok-Gesellschaft leidet – Sido hin – Rap-Star her – unter einem extremen Aufmerksamkeits-Defizits-Syndrom. Ganz kurz nur beobachtet man das künstlerische Geschehen auf der Konzert-Bühne und schon geht der Blick wieder auf das Handy wo das echte Leben- weil richtig geil virtuell- stattfindet. Außerdem müssen noch schnell Fotos vorwiegend von einem selbst geschossen werden, um der Welt schnellstens mitzuteilen wo man sich gerade in welcher Gesellschaft befindet. Im Mittelpunkt steht eben immer die eigene Person.
Who the fuck is Sido?
- Rock’n Roll, Marlboro-Man und Camel-Trophy waren gestern. Verbotenes scheint irgendwie unsexy zu sein. Heute pafft der liebe Jugendliche z.B. Elektro-Zigaretten. Nicht das das jetzt schlecht wäre, aber irgendwie kommt das schon weichgespült rüber. Soft rauchen steht irgendwie stellvertretend für eine grundsätzlich relativ brave Lebens-Einstellung. Nicht mein Ding, muss ich echt sagen… Der einzig harte Typ im Raum, der sich sogar indoor echte Kippen reinzog war – wen wundert es? Sido himself! Aber, der muss als hauptberuflicher Rapper ja a priori böse sein.
Ich finde: Das ist echt starker Tobak!
Schade, dass ich selbst nicht mehr rauche. Vielleicht fange ich jetzt selber doch wieder mit den Glimmstengel an…
Dem Rock’n Roll zuliebe!
- Witzig sind die die Unterschiede in puncto Life-Style. Der Mut zur modischen Provokation scheint mir heute etwas verloren gegangen zu sein. Im Tanz-Stadel sahen alle irgendwie gleich aus. Weiße Turnschuhe, Jeans und Hoodie. Am Kopf tragen die Jungs dauergewellte Garten-Kresse und die Mädchen lassen die Strähnen einfach in ihre Gesichter hängen.
- Gähn…
Das gab es auch schon mal spannender…
So, jetzt ist aber Schluss mit der Analyse. Ich fand den Abend geil. Neue Zeiten, neue Gegebenheiten, neue Jugend. Alles gut! Ich liebe Euch, ihr jungen Menschen. Macht einfach euer Ding!
Und ja, Sido war auch da. Hätte ich fast vergessen. Wahrscheinlich, weil er mit seinen mittlerweile 43 Jahren fast zu alt für die Night-Session in Südtirol ist.