Gestern war ein harter Tag für mich. Deshalb muss ich heute auch eine kleine Pause einlegen. Das Gefühlskino in meinem Kopf stoppen. In schwierigen Momenten braucht es einfach Ruhe. Man muss sich sammeln, erholen und versuchen wieder zu Kräften zu kommen.
So ist das…
Deshalb schreibe ich diesen Text auch zuhause.
Aber was war da genau geschehen, das mich so sehr mitgenommen hatte?
Lassen Sie mich kurz erzählen.
An und für sich war ich gestern mit bester Laune aufgewacht, hatte meinen erholten Körper aus der daunenweichen Bettwäsche geschält und mich zur Morgentoilette in mein Badezimmer begeben. Bis dahin war alles gut. Aber dann, ja dann, wurde ich, während die schmiegsame Dachshaar- Bürste über meinen Bart strich und diesen zunächst ins rechte Lot brachte, mit den lokalen Nachrichten des Tages konfrontiert. Die Informationen, die mich aus dem Äther erreichten, waren so irritierend, dass die Borsten meines gepflegten Schnäuzers sofort aufrecht in die Höhe standen.
Und die Kunde des Radiosprechers ließ mich den ganzen Tag über nicht mehr los.
Emotional aufgewühlt, leicht verstört und, ja, durchaus auch ziemlich beunruhigt über die Nachrichten begab ich mich deshalb heute in den Westflügel meiner Privatbibliothek. Ich zückte die Karaffe mit dem edlen Cognac, die ich in schwierigen Momenten gerne zur Hand nehme, um meine Seele zu trösten und meine Nerven zu beruhigen. Dann lümmelte ich mich in meinen Chesterfield-Sessel, dem Zufluchtsort in turbulenten Lebens-Phasen, öffnete den obersten Knopf meines Leinenhemdes und nippte am mundgeblasenen Weinbrand-Schwenker. In Ermangelung einer Prise Morphiums half mir der Alkohol dabei wieder einigermaßen zur Ruhe zu kommen. Im Hintergrund ließ ich eine Bach-Fuge meinen Ohren schmeicheln.
Die idealen Voraussetzungen, um mich mit der unangenehmen Frage auseinanderzusetzen, wie es mit dem Tourismus in unseren Breitengraden weitergehen soll, wenn sittenlose und bildungsfreie Menschen durch die Berge stolpern und dort ignorant ihre Zugehörigkeit zum Lumpen-Proletariat zur Schau stellen.
Wie mich der Nachrichtensprecher nämlich hatte wissen lassen, war es diese Woche in den Dolomiten zu mehreren Auseinandersetzungen zwischen Touristen und heimischen Gastgewerbe-Treibenden gekommen.
Zunächst hatten Grödner Bauern dem Massen-Ansturm der Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel Kublai Khans Einhalt geboten, indem sie auf ihrem Hausberg ,,Seceda “ein Drehkreuz errichteten und von den asiatischen Horden Geld für den Durchgang über ihre Privatgründe einforderten. Wenn man den Ansturm der Touristenmassen auf dem Wege zur Selfie-Selbstdokumentation schon aushalten müsse – so die Argumentation der erbosten Grund-Eigentümern – dann nur gegen Bezahlung. Diese Vorgangsweise sorgte für schlechte Stimmung in den Dolomiten. Das Donnergrollen verursacht durch Millionen von Schallwellen schimpfender Touristen und zeternder Bauern war in ganz Südtirol zu hören. Gar nicht zu reden von der medialen Aufmerksamkeit, die das wütende Gebaren der beiden Parteien hervorrief.
,,Bad Times“ in den Bergen also.
Und es droht weiterhin Ungemach. Wer weiß wohin dieser Konflikt noch führen wird.
,,Ni keyi gei wo da dianhua“ (Ihr könnt mich mal…) sagt der enttäuschte Chinese, bevor er zu seinem Krumm-Säbel greift
Richtig aggressive Nachrichten gab es zugleich von der ,,Kaser-Alm“ im Pustertaler Ort Gsies zu vermelden. Der dortige Hüttenwirt war von vier italienischen Urlaubern mit Pfefferspray attackiert worden, weil diese mit den Wartezeiten nicht zufrieden waren. Der Grundsatz ,,Gut Knödel braucht Weil“ war den Urlaubs-Terroristen anscheinend nicht bekannt. Und die Konsequenz dieser Unwissenheit trägt der Gastwirt nun vorübergehend im Gesicht.
Verfall der Sitten in den Dolomiten.
Aber es heißt positiv zu bleiben.
Zu dieser banalen Erkenntnis gelangte ich am Ende des Tages, als ich ein Büchlein der polnischen Lyrikerin Mascha Kaleko zur Hand nahm.
Dort heißt es: ,,Jage die Ängste fort und die Angst vor den Ängsten“.
Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig.