Man mag es gar nicht glauben wie beliebt ich bin. Freunde wohin ich nur blicke.
Tja, ob ihr wollt oder nicht, so ist es einfach Leute!
Aber kein Grund jetzt neidisch zu werden. Denn die vielen Gefährten, Kameraden, Kollegen, Kumpel und selbsternannte Getreuen teilen mir seit längerer Zeit ihr Wohlwollen auf eine derart intime Art und Weise mit, dass mich deren Zuneigung eher erschauern lässt, als dass sie mich freut. Im wunderbaren Internet, auf Facebook und auf Instagram, wo VERBUNDENHEIT ja sowieso ganz, ganz großgeschrieben wird und auch im Alltag, beispielsweise im Berufsleben, wird es rhetorisch ständig liebevoller und persönlicher.
,,Hallo!“ ,,Grüß dich“ ,,Ciao..“ ,,Servus“, die sprachlichen Annäherungsversuche bewegen sich gerne auf amikalem Niveau.
Eine neue Art der Kommunikation greift um sich, welche in einer Zeit der ansonsten physisch so distanzierten Begegnung für eine äußerst irritierende Nähe sorgt.
DU, DU und nochmal DU… Ich kann es nicht mehr hören.
Hat das mit Corona zu tun? Kann man der Pandemie immerdar und in allen Lebenslagen die Schuld geben? Ist Kulturlosigkeit eine Folge viralen Einflusses? Hat sich die Krankheit außer in den Lungen auch in den Gehirnwindungen der Menschen breit gemacht ?
Fragen über Fragen die es in Zukunft (wissenschaftlich???) zu beantworten gilt.
Die Entwicklung des lange Zeit Vernunft -orientierten homo sapiens zur verwirrten oberflächlichen ,,Ich bin dein Freund-Duz-Maschine“ treibt -Corona hin-Virus her- jedenfalls ungeahnte Blüten.
Und – ich glaube ich habe es schon erwähnt-ich kann es einfach nicht leiden!
Soviel ist sicher…
In welchen Niederungen einer offensichtlich zeitgemäßen Primitivität wir uns aktuell bewegen offenbarte sich zuletzt im Rahmen eines Vorstellungsgespräch in meinem Büro.
,,Grüß dich, Chef…Ghetto-Faust und High five…Gib mir fünf“… So ertönte es aus dem Mund der jugendlichen Kellnerin, die sich jüngst um eine Stelle in meinem Hotel bemühte. Und die im Gespräch Vertraulichkeit als Werbe-Strategie in eigener Sache wählte. Ein wahrlich gewagtes Unterfangen, das-ich schicke es voraus – nicht wirklich von Erfolg gekrönt war. Die Nähe, welche die mir bis dato vollkommen unbekannte Person aufbauzubauen bemüht war, zerbrach bereits im Ansatz vor allem am hierarchisch gegliederten System meines Unternehmen.
Und da passte der innige Kontakt zwischen der weiblichen Lehrkraft und dem Arbeitgeber in fortgeschrittenem Alter eben nicht unbedingt ins Konzept.
Das hoffnungsvolle Talent wird -aller Voraussicht nach-also Chef und Gäste anderswo duzen.
Obwohl, das mit dem aneinander Klatschen der Hände zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durchaus zukunftsträchtig sein könnte.
Sieht so möglicherweise moderne Personal-Akquisition im Jahre 2021 aus ?
Sorgt der Austausch von privaten Höflichkeiten im beruflichen Umfeld gar für eine neue Kunden-Bindung? Bin gespannt was meine Gäste dazu sagen würden, sollte es dazu kommen
Aber nicht nur im Personal-(Un)wesen wird aktuell in puncto Bildung auf die Stopp-Taste gedrückt. Nein, auch potentielle Geschäftspartner verwenden im Rahmen der sprachlichen Interaktion nur allzu gerne das freundschaftliche Du-Wort. Wenn das Ganze noch mit einem kräftigen Schulterklopfen und ein paar sehr intimen Komplimenten über das angenehme Äußere der Hoteliers-Gattin und Chefin des Hauses garniert wird (Wie jüngst von einem Lieferanten unseres Hotels….) , dann wird Benimm-Papst Adolph Knigge (1788) ob dieser Unbildung zwar wie wild in seinem verdienten Grab rotieren, aber:
Was soll‘s?
Die Zeiten ändern sich eben gerade gewaltig!
,,Who the fuck is Knigge” , werden sich die Mitglieder der Duz-Kompagnie dementsprechend fragen.
,,Zum Glück keiner von Euch“, wird meine Antwort lauten.
2 Comments
von Petra und Harald Wallner
Lieber Herr Gartner,
wie wahr, Sie sprechen uns aus der Seele.
Viele Grüsse die Wallners
von Michael H. Linnig
Lieber Dr. Gartner,
was Sie so an Unarten beobachten, greift südlich wie nördlich der Alpen um sich. Das ist unsere “neue Normalität”. An diese muss ich mich auch erst mal gewöhnen. Werde ich das können???? Es scheint mir, dass wir es weniger mit einer Corona-Pandemie zu tun haben als vielmehr mit der Renaissance des Rinderwahnsinns. Der ist ungleich ansteckender und gefährlicher, weil er unsere Hirnwindungen erfasst. Wobei er, der Erreger, da häufig fast schon selbst in Depression verfällt, weil man ihm das Spiel allzu leicht macht. Wo nichts ist, kann ich auch nichts zerstören. Tröstlich ist, dass wir nach vollständiger Durchseuchung nicht mehr bemerken, dass wir selbst betroffen sind. Oder wir haben Glück und die Pharmaindustrie nutzt ihre gesamte Expertise und produziert einen Impfstoff, der es diesmal erst recht so richtig in sich hat. Zeit genug sollten sie dafür ja gehabt haben. Das Auftreten des Rinderwahnsinns ist ja schließlich keine neue Erscheinung…
Knigge wird’s freuen.