Harte Zeiten, teure Zeiten: Ein energiegeladener und sehr persönlicher Lagebericht

Als der Postmann heute an der Haustür klingelte hatte ich irgendwie so ein komisches Gefühl. Mir schwante Übles. Ja sogar richtig Schlimmes… Ungemach, das sich schon länger angekündigt hatte und nun zur knallharten Realität werden sollte.

,,Smells like Energie-Problem-Spirit“…Alles klar?

Die Kuverts mit den jeweiligen Logos der regionalen Energieversorger welche der Briefträger in seinen Händen hielt sprachen jedenfalls eine mehr als deutliche Sprache:

,,Heute werden wir dich ruinieren!“, ,,Du musst dafür büßen, dass Du nachts immer lange noch im Bett liest und dabei Unmengen an Strom verschwendest“, ,,Deine Frau und deine Tochter baden Sommer wie Winter in brühend heißem Wasser und jetzt hast Du die Konsequenzen zu tragen.“

Kurz nur haderte ich mit meinem eigenen kostspieligen Verhalten, als Familien-Oberhaupt aber vor allem mit dem Wasch-Zwang meiner Damen zuhause.

 War deren kardiovaskuläres System dermaßen in Schieflage geraten, dass solche wasserverschwendenden, unnatürlich aufgeheizten Aktionen unbedingt notwendig geworden waren?

Wie schaut es diesbezüglich eigentlich mit weiblichem Verantwortungs-Bewusstsein aus?

Hat dieses rücksichtslose Verhalten jetzt zur Konsequenz, dass ich Hotel, Haus und Hof, vor allem aber mein geliebtes Motorrad, meine Kunst-Sammlung und meine kuschelweiche Designer-Garderobe verkaufen muss?

Nage ich demnächst gar am Hunger-Tuch?

Werde ich mein Süppchen im Winter kalt trinken müssen? Und: Welche Auswirkungen wird eine solch ungesunde Ernährung auf meinen Gastrointestinaltrakt haben?

Diese und ähnlich unsympathische Fragen standen unsichtbar, in Geisterschrift verfasst unter den Namen der beiden Energie-Versorger.

Der Briefträger blickte schamhaft zu Boden, als er mir die Schreiben überreichte. Auch er war augenscheinlich ziemlich erschüttert.

Dabei mag ich den Mann normalerweise. Er bringt mir meine Lieblings-Zeitschrift, den ,,Rolling Stone“, er händigt mir meine Amazon-Päckchen aus und er plaudert mit mir immer äußerst angenehm über Gott und die verrückt gewordene Welt.

Aber die beiden Briefe die er heute aus seiner Tasche zog die mochte ich nicht.

Nein, ich mochte keine Strom-Rechnung bekommen.

Und auch keine Aufstellung meines Gas-Verbrauches.

Nein, ich wollte der brutalen Realität nicht in die Augen blicken.

Zitternd, selbstverständlich aber trotzdem unglaublich mannhaft nahm ich die Briefe entgegen, schlich Richtung Wohnzimmer und öffnete die Schreiben nachdem ich vorher eine geschlagene Stunde auf die bedrohlichen Umschläge geblickt hatte.

Die Zahlen, welche auf den weißen Papieren abgedruckt waren und die mir schonungslos aufzeigten welch besorgniserregender Zukunft ich entgegenblicken würde, verschwammen vor meinen tränengetrübten Augen.

Die Energie- Preise waren viermal so hoch wie noch bei den letzten Abrechnungen.

Was würde jetzt mit meinem Leben passieren? Würde es den sprichwörtlichen (und äußerst kalten…) Bach runter gehen?

Kein angenehmes Dasein mehr als Warm-Duscher…

Furchtbar schmerzhafte Rasuren ohne Beleuchtung in der Badezimmer-Dunkelkammer…

Schluss mit Fernsehen, Radio und exzessivem Handy-Genuss…

Kalte Nächte in doppelt-gefütterten Frottee-Pyjamas und kratzigen Woll-Strümpfen…

Abusive Ausflüge zu nachtschlafender Zeit, um in Winter-dunklen Wäldern dürren Reisig für den heimischen Ofen zu sammeln.

Schluchz….

Als ich später zitternd klammen Bett bei Kerzenlicht meinem Lieblings-Hobby, dem Genuss   anspruchsvoller Literatur frönte, stieß ich auf den folgenden Satz des deutschen Schriftstellers Martin Walser: ,,Wenn Du kein Virtuose im Vergessen bist, verblutest Du auf der Intensivstation Erinnerung“.

Diese Unannehmlichkeit -so beschloss ich spontan-solle mir nicht widerfahren.

Gesagt. Getan.

Am kommenden Morgen hatte ich den Inhalt der unangenehmen Post-Sendungen schon ziemlich gut verdrängt. Ist das nicht eine tolle Lösung?

Irgendwie wird schon alles wieder gut werden.

So war es doch immer…

1 Kommentar

  • Posted 4. Oktober 2022
    von Michael Möller-Krächan

    Lieber Hr Gartner, hadern Sie nicht mit den Ansprüchen der Weiblichkeit. Sie haben beide ein so schönes Erholungserlebnis geschaffen, da sind diese vorübergehenden atmosphärischen Störungen in der Energieversorgung, zwar etwas das die momentane Gemütslage trübt aber nicht das Große Ganze was Sie erreicht haben. Es geht weiter auch auf Umwegen!
    Liebe Grüße und ein ganz herzliches Danke!
    Beate und Michael

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