Neulich war ich zu einem Diner bei Freunden eingeladen. Sind ja immer schön diese gemeinsamen Abende mit Menschen, die sich richtig Mühe geben ihre Buddys kulinarisch zu beglücken. Menschen die deshalb tagelang Wälder durchstreifen, um dort schmackhafte Pilze zu sammeln, Menschen, die im eigenen Garten in altersunfreundlicher Schieflage die buntesten Salate pflücken, Menschen die in mühsamer Feinarbeit Federvieh köpfen und rupfen und die dann herrliche Saucen solange reduzieren bis der Tennisarm vom allzu intensiven Rühren schmerzhaft anschwillt. Ja, das ist schon allerliebst, wenn man solche Freunde hat. Das muss ich hier an dieser Stelle auch mal sagen, während gerade ein Tränchen der Rührung auf meine Computer-Tastatur tropft.
Und dann die gemeinsame Plauderei. Über Gott und die Welt, wie man so schön sagt. Wobei, eigentlich ist das irgendwie auch umsonst. Gott ist dem Philosophen Friedrich Nietzsche zufolge ja schon lange tot und die Welt im Moment komplett im Arsch. Also muss das auch nicht sein mit dem Geschnatter.
Aber ich verliere mich jetzt gerade ein bisschen in Themen, um die es hier und heute nicht gehen soll. Wir wollen jetzt nicht philosophieren, sondern über Krankheiten reden.
Ja, Sie haben richtig gelesen.
Es geht tatsächlich ums krank sein.
Besser gesagt um die unerträgliche Diskussion darüber.
Womit wir wieder beim Diner wären, dem ich jüngst die zweifelhafte Ehre hatte, beiwohnen zu dürfen.
Der Altersdurchschnitt der geladenen Gäste an dem genannten Abend bewegte sich hart auf die 60 Jahre zu. An und für sich kein Problem. Immerhin waren alle noch mehr oder weniger am Leben. Und zunächst auch gut drauf. Es wurde gelacht, gescherzt und voller Leidenschaft dem Alkohol zugesprochen. Bis, ja bis der erste Gast aus heiterem Himmel begann von seiner jüngsten Vorsorge-Untersuchung beim Urologen zu erzählen. Es folgten Anekdoten aus der Gynäkologie-Abteilung des örtlichen Krankenhauses und man begann tatsächlich minütlich immer intensiver über persönliche Wehwehchen zu klagen und sein gelegentliches Unwohlsein ausgiebig zu thematisieren.
Es war ein bisschen wie früher in noch jüngeren Jahren beim gemeinsamen Monopoly spielen. Nur dieses Mal ohne Spaßfaktor. Anstatt auf der Schlossallee landete man eben im Krankenhaus.
Um Gottes willen…
PSA-Werte, Blutuntersuchungen und Urinproben, Geschichten von anderen befreundeten Menschen, die nicht mehr auf Partys dafür zur Dialyse gehen…Mir als großem Lebemenschen und kleinem Hypochonder wurde Angst und bange.
Ich ertränkte meine Sorgen in mehreren Gläsern Schaumwein und versuchte mit ein paar Späßchen weg von der Themen-Sackgasse ,,Krankheit“ zu kommen und wieder auf der Autobahn ,,Lebenslust“ zu landen.
Umsonst.
Der Bus (ich persönlich fahre ja lieber mit einem coolen Schlitten…) war schon abgefahren. Vor allem aber war er falsch abgebogen.
Ja, so ging der Abend dann inhaltlich eher deprimierend zu Ende.
Noch auf dem Heimweg buchte ich online Karten für die nächsten Rockkonzerte.
Ich benötige nämlich dringend wieder ein paar positive Vibes.
Übrigens: Wer mir seine letzten (ausschließlich super-erfreulichen…) Blutwerte per Mail zuschickt darf mit zu den Konzerten.
Auf meine Kosten.
Dann feiern wir gemeinsam das Leben.