Kein System kann auch eins sein: Gebrauchsanweisung für ein unorganisiertes Leben auf Italienisch

Letzthin war ich in Mailand beim Konzert von Peter Gabriel. Sie wissen schon: der ehemalige Frontman von Genesis. Die Älteren unter Ihnen werden sich erinnern. Die famose Progressive-Rock-Band aus den 70ern hat Musikgeschichte geschrieben. Zuerst eben mit Gabriel als Sänger, später dann mit der trommelnden Kreisch-Säge Phil Collins als Chef am Mikro.

 In den 80ern schaffte Gabriel als Solo-Künstler den Durchbruch zum Superstar. Mit seinem grandiosen Album ,,So“ und den Hits ,,Sledgehammer“ und ,,Big Time“ rockte der erklärte Weltmusiker die Charts. Konzeptionell choreografierte Liveshows und spektakuläre Videos taten ihr Übriges dazu den Status von Gabriel als vielseitigen Künstler zu festigen. Nicht zuletzt seine Tätigkeiten bei Amnesty International und der Menschenrechtsorganisation ,,Witness“ brachten ihm auch fernab seiner Musik-Karriere große Anerkennung ein.

So weit so gut.

Aber Infos die Sie eventuell auch bei Wikipedia nachlesen können sollen nicht das Thema meines heutigen Blogs sein. Auch wenn ich zugegebenermaßen nur zu gerne mit entsprechendem Wissen (in Schluchz…mittlerweile fast 60 Jahren angeeignet…) um mich werfe.

Aus Liebe zur Musik und aus riesengroßem Interesse an der Pop-Welt im Allgemeinen.

Nein, heute geht es um die Durchführung des Konzertes im Mediolanum Forum von Mailand der größten Indoor-Arena Italiens, einem Schauplatz vieler legendärer Musik-Events. Eine Organisation, die alle Klischees chaotischer italianitá vor meinen und den Augen meiner Gattin Wirklichkeit werden ließ.

Obwohl, das Ganze Organisation zu nennen würde den Begriff als solchen ad absurdum führen.

Was aber in unseren Augen überhaupt nicht schlimm war, sondern den Unterhaltungswert der gesamten Veranstaltung nur steigerte.

Schon bei unserem Eintreffen am Platz vor der Halle staunten wir nicht schlecht, als wir einen einzelnen Mediolanum-Haushof-Meisters beobachteten, der in einem Anflug germanischer Ordnungs-Liebe versuchte die entfesselte Menge in Reih und Glied Richtung Eingang zu steuern.

Ein Heiden-Spaß!

Die verzweifelten Bemühungen des lokalen faktotums 12000 Menschen, darunter viele Damen fortgeschrittenen Alters in rockiger Abendrobe und zahlreiche Gigolos in Spätlese- welche sich alle für ihren Musiker-Helden richtig fein gemacht hatten- zu sage und schreibe drei geöffnete Eingangs-Tore zu lenken waren nicht von Erfolg gekrönt. Lautstark wurden die modischen Aufmachungen anderer Konzert-Besucher gelobt, es wurde gelacht und geschäkert, aber niemand zeigte Interesse an einem geregelten Eintritt in die Halle. Lieber wurde über die mangelnde Organisation geschimpft die absurderweise aber Teil der eigenen Verhaltensweise war.

Jeder machte was im so in den Sinn kam und ging wohin er wollte.

Und?

Wen kümmerts?

Schließlich ist man ja in Italien und da laufen die Dinge etwas anders ab… Dazu gehört neben der grundsätzlichen Freude an allem Schönem, außerdem natürlich die überbordende Lebensfreude aber schon auch eine ordentliche Beschwerde-Kultur…

Der Franzose würde dazu „C’est la vie“ sagen. Der Engländer ,,Shit happens“ und der Italiener eben ,,Chi se ne frega?“

Das Leben ist einfach wunderbar und kann so entspannt sein. Auch ohne Reihen-Bildung.

Oder gerade deswegen?

Mit derselben Einstellung wurden dann auch die Sitz-Plätze (ja, Sie lesen richtig…Es handelte sich bei dem Konzert um eine bestuhlte Veranstaltung für Geriatrie-Rocker…) eingenommen. Jeder setzte sich hin wo er gerade wollte, unabhängig von der Nummer auf seinem Ticket.

Auch meine Frau und ich fanden nach längeren Diskussionen mit anderen Konzert-Besuchern, die unsere Plätze okkupiert hatten doch noch zwei Sitzgelegenheiten. Dies obwohl die Nachfrage beim Ordnungs-Dienst (ebenfalls eine einzelne Person…) nichts gefruchtet hatte und uns nahegelegt worden war einfach die Darwinsche -Gesetzmäßigkeit anzuwenden und uns ohne Rücksicht auf Verluste da hinzusetzen wo noch niemand anderer sei. Später eintreffende Gabriel-Fans mit rechtmäßigen Karten könnten ohne weiteres ignoriert werden.

Okay! Auch gut! Das Recht der Stärkeren bzw. früher Eingetroffenen…

Hauptsache die Ruhe bewahren! Niemals die Nerven verlieren war das Gebot der Stunde.

Wie heißt doch einer der größten Hits von Peter Gabriel? ,,Dont give up“!

Passt doch!

Zu den Klängen von ,,In your eyes“ und ,,Solsburry Hills“ entfernte das Publikum dann auch noch die lästigen Stühle im Bereich vor der Bühne.

Die Zeit zum Tanzen war angebrochen.

Das Leben kann so schön sein.

Auch ohne Organisation!

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